-
24.05 Donaurieden – Ulm (Donau – ca. 23 km)
Geschrieben am 17. Juni 2009 1 Kommentar24.05 Donaurieden – UlmDonau – ca. 23 kmAls wir in Tübingen etwas verspätet starten, bin ich zuversichtlicher: die BUND-Gruppe Ulm hat sich bereits im Vorfeld umtriebig gezeigt und unser Angebot, auf die schlimme Situation an der Donau aufmerksam zu machen, dankbar angenommen. Außerdem hat kein Geringerer als Stoppok als künstlerischer Gast für heute zugesagt. Ums Konzert brauche ich mir wohl keine Sorgen zu machen. Als wir ankommen, sind bereits eine Menge Umweltschützer vor Ort, die uns helfen, das Begleitkanu in den parallel zur Donau fließenden Kanal zu setzen, für den ich mich entscheide, weil er deutlich mehr Wasser führt, als die Originaldonau. Kurzes Pressefoto mit allen – und dann ab dafür! Eine kühle, ruhige Strömung erfasst mich und wenig später schwimme ich durch einen idyllischen, aufgestauten Flussbereich. Mir zur Seite diesmal: Claudio und Linn und die Sonne, die in einem herrlichen blauen Himmel steht. Das Einzige, was mich von Anfang an bekümmert: mir wird nicht warm, selbst dann nicht, als ich das Tempo anziehe und eigentlich zu schnell starte für die lange Distanz. Eine natürliche Barriere bremst mich schon nach einigen hundert Metern aus: es entfaltet sich vor uns ein gigantisches Seerosenfeld. Gespenstisch, wie das unter Wasser wirkt: im trüben Flusswasser tauchen plötzlich die großen bleichen Seerosenblätter auf, wie riesige Greisenhände, die sich abwehrend oder neugierig zu mir strecken, mich mit flattrigem Streicheln berühren, umfassen, abbremsen, um Arme und Beine schlingen, daß ich gar nicht mehr richtig schwimmen kann, sondern mir stellenweise nichts anderes übrig bleibt, als mich ans Boot zu klammern, das sich mühevoll und vorsichtig durch die Seerosen schiebt. Nach einer Weile finden wir einen labyrinthischen Wasserpfad, dem wir folgen können und der uns schließlich aus dem Seerosenwald herausführt. Ich kann wieder frei schwimmen, aber die Kälte macht mir nach wie vor zu schaffen. Ich tröste mich damit, daß wenigstens die wundgescheuerten Stellen am Nacken nicht mehr so schmerzen wie gestern, aber nach ca. 2 Kilometern muß ich wegen einer drohenden Unterkühlung eine kurze Rast machen, um mich aufzuwärmen. Ein Völkchen Ameisen fühlt sich dadurch sehr gestört und kriecht und krabbelt mir in den Neoprenanzug und beißt in alles hinein, was Heinz Ratz sein könnte: – ich weiche auf die Rettungsinsel aus und die Pause ist nur kurz.Die erste offizielle Pause in Donaustetten gleich mit einer netten Überraschung: BUND-Mitglieder kommen mit einer heißen Suppe und Kaffee und Brötchen – wie auch am zweiten größeren Halt kurz vor Ulm. Ein Blick auf die Uhr zeigt, daß ich die verlorene Zeit wieder wettgemacht habe – meine Arme beschweren sich nicht, ich fühle mich fit genug, die Pause etwas abzukürzen.Auch das zweite Drittel der Strecke geht zügig voran: es macht wesentlich mehr Spaß in der Donau zu schwimmen, als im Neckar – Claudio und Linn haben auch Freude, wie ich beim Aufschauen sehe.Im letzten Dritte der Wechsel: Enno kommt für Claudio ins Boot, damit Claudio die Percussion aufbauen und den Soundcheck vorbereiten kann – und mit dem Wechsel auch bald der Iller-Zustrom und mit der Iller wird alles anders!! – Mit 9 Grad kaltem Alpen-Schmelzwasser und einer reißenden Strömung mündet die Iller in der Donau ein: aber was sich hinter dem Begriff „Münden“ so alles verbirgt, das ist nicht etwa mit dem Hineinfließen getan: das ist ein kilometerlanger Kampf um die Vorherrschaft – da wird der zufällig im Wasser befindliche Schwimmer hin und her gerissen, das ist wie ein unerbittlicher Streit zwischen zwei leidenschaftlichen Frauen um einen Mann ( – so phantasiere ich, um meinen müden Körper aufzubauen und schön selbstbewusst zu machen) – und die Iller verändert den Charakter der Donau entscheidend – als sei sie erwacht, als besinne sie sich, auch ein wilder Fluss zu sein, als erinnere sie sich ihrer Schwarzwaldfinsternisse – rast sie nun breit auf Ulm zu – Linn und Enno haben alle Hände voll zu tun, das Boot zu steuern, alle Naslang geben sie mir Gefahrenzeichen – ein Bootanlegesteg saust auf uns zu – es gelingt mir im letzten Moment, ihn seitlich zu umschwimmen, umgestürzte Baumstämme, die ihre Äste wie Fangarme ausbreiten – die Geschwindigkeit des Wassers ist berauschend. Als wir die erste Ulmer Brücke in Sichtweite haben, sehen wir von Weitem schon größere Stromschnellen – überall – eine blitzschnelle Entscheidung muß getroffen werden . wir lenken nach links – Linn bemerkt einen großen Strudel am Brückenpfeiler, die Donau legt noch mal zu – die Stromschnellen greifen nach mir, ich schaffe es so eben noch, mich an die Rettungsinsel zu klammern – da reißt mich das Wasser schon in eine andere Richtung – ich muß loslassen, aber wir sind schon darüberweg – links nehmen wir die winkende BUND-Gruppe wahr, die eine Landung wünscht, bei diesem Tempo unmöglich. Wir versuchen es dennoch, da taucht vor uns ein größeres Touristenboot auf, das nicht ausweicht: wir haben keine andere Möglichkeit, müssen zurück in die Flussmitte – und werden an der geplanten Anlegestelle vorbeigespült. Die BUND-Gruppe versucht mitzulaufen, aber die Donau ist zu schnell – nur die Fahrradfahrer halten mit. Ich sehe wie ein Mädchen sich die Kleider vom Leibe reißt und im Bikini in das eisige Wasser springt, rufe Enno und Linn zu, bei ihr zu bleiben und schwimme ohne Begleitboot die restlichen drei Kilometer zum Ulmer Zelt. Als ich dort ankomme, habe ich 23 km in den Knochen. Ich kann mich im Zelt kurz umziehen, werde aufgefordert, eine Rede zu halten – aber da nur Zufallspublikum da ist, verzichte ich. Außerdem wird oben im Club sicher schon viel los sein, denke ich. Claudio holt uns ab, wir treffen Stoppok, der mit seiner Frau angereist ist und ich sehe mir den Club an, eine alte Bunkeranlage. Eine ungute Vorahnung kommt in mir auf, aber ich tue sie zunächst als „Unmöglich“ ab – Claudio bemerkt, daß sein Wagen Öl verliert, wir machen Soundcheck, essen im leider sehr vermüllten Bunkergarten eine bestellte Pizza und unterhalten uns sehr nett, während die Vorahnung wieder drängelt und sich plötzlich klar ins Bewusstsein schiebt: es wir keiner kommen! Wie kann das sein? – bei einem regulären Strom&Wasser-Konzert hätte ich ja schon mit mind. 100 Zuschauern gerechnet, von den immer ausverkauften Konzerten Stoppoks erst gar nicht zu sprechen. Doch wie in Tübingen auch: keiner scheint zu wissen, daß wir da sind! 20 Zuschauer kommen – und wir stehen vor einem Rätsel!Als wir gegen 2 Uhr 30 in den Hotelbetten liegen und den Wecker auf 6 Uhr stellen, ahnen wir, was uns im Folgenden am meisten Kraft kosten wird: es ist die Atemlosigkeit der Tage, weil mit viel zu wenig Schlaf viel zu früh gestartet wird und durch Anfahrt, Transport, Schwimmen, Begleitboot, Interviews, Ankunft, Soundcheck, Konzert, Abbau, Gespräche, Schlafplatzsuche keine Pause zu finden ist, um Atem zu schöpfen.Meine Hauptsorge gilt aber meiner Gesundheit: das Eiswasser der Iller war dann doch zu kalt für meine Bronchen: ein bellendes Husten schüttelt mich. Linn, die noch bei mir duscht, findet mich schlafend, halb zugedeckt: das Handy in der Hand, die mailbox gerade abgehört, die fröhlichen Stimmen meiner Kinder und die sanfte Nachricht meiner Freundin im Herzen. Ein anstrengender Tag, der uns – weil wir kein Hotel finden konnten, das uns Zimmer sponserte – tief in die roten Zahlen reißt.Gesammelte Spenden: 94.- EuroAls wir in Tübingen etwas verspätet starten, bin ich zuversichtlicher: die BUND-Gruppe Ulm hat sich bereits im Vorfeld umtriebig gezeigt und unser Angebot, auf die schlimme Situation an der Donau aufmerksam zu machen, dankbar angenommen. Außerdem hat kein Geringerer als Stoppok als künstlerischer Gast für heute zugesagt. Ums Konzert brauche ich mir wohl keine Sorgen zu machen. Als wir ankommen, sind bereits eine Menge Umweltschützer vor Ort, die uns helfen, das Begleitkanu in den parallel zur Donau fließenden Kanal zu setzen, für den ich mich entscheide, weil er deutlich mehr Wasser führt, als die Originaldonau. Kurzes Pressefoto mit allen – und dann ab dafür! Eine kühle, ruhige Strömung erfasst mich und wenig später schwimme ich durch einen idyllischen, aufgestauten Flussbereich. Mir zur Seite diesmal: Claudio und Linn und die Sonne, die in einem herrlichen blauen Himmel steht. Das Einzige, was mich von Anfang an bekümmert: mir wird nicht warm, selbst dann nicht, als ich das Tempo anziehe und eigentlich zu schnell starte für die lange Distanz. Eine natürliche Barriere bremst mich schon nach einigen hundert Metern aus: es entfaltet sich vor uns ein gigantisches Seerosenfeld. Weiterlesen »