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23.05 Nierdernau – Tübingen (20 km) Neckar
Geschrieben am 2. Juni 2009 1 KommentarIn die Umarmung des Neckars – es fing leidenschaftlich an: 12 Grad und gleich eine zügige Strömung, die uns packte und munter in Richtung Tübingen schob, daß es eine Lust war! Vor mir das Begleitboot mit Enno und Linn, an meiner Seite Daria aus Freiburg, die eine Strecke mitschwimmen will, um einen kleinen Bericht über das Flussprojekt zu schreiben. Ich jubelte insgeheim – mit dieser Strömung als Beigabe ließ sich zumindest die Stunde Verspätung wieder gutmachen, die wir mit all den Auf- und Umladen des Kanus und der Einstiegsplatzsuche verloren hatten – aber nach 500 m staute sich leider das Wasser auf und offenbarte eine traurige Ahnung, die sich in den folgenden Stunden bestätigen sollte: von den 20 km Schwimmstrecke fließt der Neckar gerade mal wenige hundert Meter frei – ansonsten ist er überall aufgestaut. Das erste, sehr zweifelhafte Abenteuerchen gleich am ersten Wehr in Rottenburg. Wir versuchten erst links zu landen – und prompt bleibe ich bis zur Hälfte im Schlamm der Rottenburger Klärkloake stecken. Und während ich versuche, mich zu befreien und durch mein Gezappel einen höllischen Gestank um mich herum verbreite, nutze ich den Anlaß für allerlei philosophische Betrachtungen über den Urzustand des Neckars, der einst als heimlicher Schwarzwaldkönig in schönen Schlangenwindungen sein klares, wildes Wasser … naja – vielleicht in tausend Jahren wieder!
Schließlich komme ich doch los, überquere den Fluß und helfe beim ersten Bootsumtragen. Ennos selbst zusammengeschweißter Hilfswagen biegt sich unter der Last und verweigert die Hilfe – es kostet uns fast eine halbe Stunde und die Warnung eines Neckarkundigen: das war noch gar nichts! Ich freue mich auf zweihundert Meter frei fließenden Fluß, habe aber das Problem, im braunen Wasser nur 10 cm tief blicken zu können und mache ein paar schmerzhafte Bekanntschaften mit großen Steinbrocken. Dann wieder Stein, Begradigung, mühsame Schwimmstrecke. Daria sitzt mittlerweile völlig unterkühlt im Kanu – ich kraule ein paar Kilometer – Wehr! – umtragen – aufgestaut – Wehr! – umtragen! – aufgestaut! – Wehr! – umtragen – Kraftwerk! „Lebensgefahr!“ steht im Kanuführer, aber es ist halb so wild, wenn man sich an die Anweisungen hält. Dieses ewige Reinraus ist sehr ermüdend, vorallem, weil es keine wirklichen Ein- und Ausstiegsstellen gibt, sondern wir immer über Stock und Stein und Zaun und Mauer das schwere Kanu schleppen müssen – zudem die Sonne, die mich draußen im Neoprenanzug grillt und dann das 12 Grad kalte Wasser – eine Kneipkur vom feinsten, aber wegen der leichten Erkältung mit der ich gestartet bin, vielleicht doch etwas übertrieben. Im zweiten Drittel begleitet uns ein streitlustiger Schwan und Linn und Enno haben alle Hände voll zu tun, mich von ihm abzuschotten, obgleich ich mir nicht vorstellen kann, daß er gleich loshacken wird – dafür ist mein Schwimmstil doch eine Nummer zu nilpferdhaft.
Die Einfahrt in Tübingen ist äußerst merkwürdig: ein Stocherkahn kommt uns entgegen mit einer finster blickenden Burschenschaft – leider zu weit entfernt, um sie naß zu machen – ein weiterer Stocherkahn mit Touristen, ein dritter, vierter, fünfter – Tretbötchen, Kanus – ich bekomme durchs Kraulen ja nur die Hälfte mit, aber ich bemerke, wie das Lächeln aus Ennos und Linns Gesichter schmilzt – und ich spüre das unfreundliche Mißtrauen, das uns entgegenschlägt. Als wir wie verabredet an der Neckarbrücke ankommen, empfängt uns die Vorsitzende des BUND Tübingen, bedauernd, daß die Gruppe zu klein und zu beschäftigt für einen größeren Empfang sei. Presse ist nicht gekommen. Kommt auch abends nicht aufs Konzert. Auch niemand vom BUND. Auch sonst niemand. Ganze 8 Zuschauer verlieren sich in den Räumen des Sudhauses. Daß der in Schwaben bekannte Liedermacher Thomas Felder unser Gast ist, stand weder in der Presse noch auf den Plakaten. Immerhin: die Schwäbische Zeitung hat am Vortag eine kleine Ankündigung gebracht, Götz Widmann hat es vor Kurzem auf einem seiner Tübinger Konzerte durchgegeben, im Sudhaus-Programmheft ist es angekündigt: daß keiner es gewußt hätte, dient nicht als Erklärung.
Vielleicht ist es tatsächlich so, wie es der Tübinger Bürgermeister in seiner Absage für eine finanzielle Unterstützung des Projekts formulierte: die Stadt Tübingen finanziere bereits zahlreiche Umweltprojekte, es werde bereits sehr viel gemacht! – Wo sehr viel gemacht wird, gibt es vielleicht keinen Grund, noch mehr zu tun – aber wenn ich an den armen Neckar denke, dann fällt es mir sehr schwer, das zu glauben.
Gesammelte Spenden: 55.- EuroFotos: Claudio Spieler